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Von Birgit Ziegler .

„Ich bin Maler, nur glaubt mir das niemand“

Jiří Skála, Artist in Residence

Ein Porträt des tschechischen Künstlers Jiří Skála, der 2005 am Artist-in-Residence-Programm im Museumsquartier teilnahm.

„Ich bin Maler“, antwortet Jiří Skála stets den Leuten, die ihn nach seinem Beruf fragen. „Aber nachdem sie dann meine Sachen gesehen haben, glaubt mir das niemand mehr“, verrät der Künstler und lacht dabei verschmitzt.

Skála hat gerade seine Tortellini fertig gekocht, als ich ihn im Gastatelier – gestaltet von Heimo Zobernig – im Wiener Museumsquartier zum Interview treffe. Roter Schal, roter Pullover, rote Sauce auf den Tortellini und in einer Ecke auf dem Boden Farbtöpfe mit roten Deckeln. Acht Stück stehen sehr ordentlich in zwei Reihen vor den vorbereiteten Leinenstoffen und den Holzrahmen, die damit noch bespannt werden wollen. Ansonsten alles weiß. Der ganze Raum. Auch die Farbe in den Tiegeln ist weiß, wird mir versichert. Von Malerei keine Spur, auch nach Farbe riecht es nicht.

Jiří Skála ist ein junger Künstler aus Tschechien. Geboren wurde er 1976 in dem kleinen Ort Sušice und in eine Familie hinein, die sich nicht besonders für Politik interessierte – bis auf einen Großvater, der sich im Radio „Voice of America“ anhörte. Skála war damals mit 13 Jahren noch zu jung, um die große Wende bewusst mitzuerleben. Heute ist klar, dass mit der Samtenen Revolution 1989 alles anders werden sollte, und Skála weiß die Veränderungen zu schätzen und anhand von Auslandsaufenthalten zu nützen. In Prag studiert er seit 1998 an der Akademie der bildenden Künste zuerst bei Jiří David (Atelier für visuelle Kommunikation), dann bei Vladimír Skrepl (Atelier für Malerei). 2002 führt ihn ein Post-Graduate-Studium an das Palais de Tokyo in Paris.

Jiří Skálas Kunst ist das, was man „interdisziplinär“ nennt. Er hat einen stark analytischen Zugang, einen Hang zu Theater und Performance, eine Vorliebe für Projektionen und das Kino. Er liebt es, akribisch zu sein, und er wäre kein Tscheche, wenn er nicht auch einen großen Hang zum schwarzen Humor hätte. Dieser hintergründige Witz ist es dann auch, der sein Werk weniger streng wirken lässt, als es im ersten Moment scheint.

Eine seiner Arbeiten besteht beispielsweise nur aus vier rechteckigen Boxen (Measuring of Volume, 2002). „Im Sommer 2001“, so der Künstler, „füllte ich im Garten meiner Familie eine Wanne mit Wasser, um das Volumen eines jeden Familienmitglieds zu messen. Meine Schwester, meine Mutter und mein Vater tauchten nacheinander in das lauwarme Wasser. Natürlich steigt dabei der Wasserspiegel. Ich habe dann die Differenz vermessen, welche – nach Archimedes – dem Volumen der Körper entspricht.“ Nach diesen Maßen entwarf Jiří Skála dann rechteckige Boxen, von denen die größte seine Mutter repräsentiert: „Sie ist eben in jeder Beziehung ‚die Größte‘ in der Familie“, lacht der Künstler.

Skálas Disziplinen sind neben der Objektkunst auch Video, Fotografie, Installation, Text, Typografie und eben die Malerei, aber derer bedient er sich – wie gesagt – so gut wie nie. Besonders wichtig ist für den Künstler und seine Arbeit die Kommunikation. „Wie tauschen sich Menschen innerhalb der europäischen Kunstszene aus?“, ist eine Frage, die sich der Künstler immer wieder stellt. In „Take it Personally“ (2004) beispielsweise geht es um die Prager Kunstszene. Jeder einzelne Künstler, der an der Ausstellung beteiligt war, wählte eine bekannte Person der Szene, die er nicht leiden konnte, aus und schrieb in großen Buchstaben an die Wand: „Ich mag (diese Person namens) … nicht.“ Selbstverständlich mit der Unterschrift des Verfassers. Nicht die Kunstszene alleine wird reflektiert, sondern „Kunst als Ausgangspunkt für Kommunikation betrachtet und gezielt eingesetzt“, so Jiří Skála.

Während seines Studienaufenthaltes in Paris entstand – gemeinsam mit neun Künstlern aus sechs verschiedenen Ländern – ein riesiges international bekanntes Spiel („OO, an exhibition which grows of the middle“, 2002). „Als Grundlage für diese Arbeit diente das Spiel Scrabble“, erzählt Skála. „Wir machten daraus eine improvisierte Version und legten die Steine auf 200 Quadratmeter aus. Die Regeln wurden geändert. Man konnte mehrere Sprachen einsetzen und Wörter mit unbegrenzter Länge erfinden. Am Ende wurden 40.000 Steine für die Installation verwendet.“ Sehr kommunikativ und experimentell arbeitet auch die Produktionsgruppe PAS, der Jiří Skála gemeinsam mit Tomáš Vaněk und Vít Havránek seit dem Jahr 2000 angehört.

„Video Trip“ (2002) ist eine Arbeit dieser Gruppe und als außergewöhnliche Touristenexkursion zu verstehen. PAS lud einen Videokünstler dazu ein, Prag zu besichtigen und eine sehr persönliche Tour durch die Stadt zu planen. Das Produkt wurde einem Reisebüro vorgeschlagen. Gemeinsam mit diesem wurde die Tour den Ausstellungsbesuchern im „Royal College of Art“ in London angeboten. Auch ein Video der Aktion war geplant. „Leider hat bisher noch niemand die Reise gebucht“, erzählt Jiří Skála, „wir sind aber noch immer in Kontakt mit dem Reisebüro und können das Projekt jederzeit realisieren.“

PAS-Mitstreiter Vít Havránek hat als Kurator von tranzit.cz, der internationalen Plattform für zeitgenössische Kunst in Zentraleuropa, Jiří Skála als Artist in Residence für das Wiener Museumsquartier vorgeschlagen. Dort arbeitet der Künstler bis Ende Januar 2005 an der Erweiterung seines Projektes „Local Stigma“ (2004). In dieser Videoinstallation werden die Elemente Performance, Video und Malerei kombiniert. Vier Künstler bereiten je eine Leinwand für die weitere Bearbeitung vor und werden bei dieser Tätigkeit von oben gefilmt. Dabei sieht der Betrachter, wie unterschiedlich man beim Grundieren einer Leinwand vorgehen kann. In der Ausstellung werden die einzelnen Filme auf die jeweilige Leinwand projiziert. Dadurch entsteht erst das eigentliche Bild.

Für Jiří Skála stellt das Projizieren auf eine Leinwand oder das Bemalen einer solchen dasselbe dar. „In beiden Fällen, ob Malerei oder Video, kommt ja das, was man denkt, was man fühlt, was man auswählt, auf die Leinwand“, meint der Künstler. Malerei sei für ihn beides.



Artikel erschienen in: REPORT. Magazin für Kunst und Zivilgesellschaft in
Zentral- und Osteuropa,Dezember 2004
> Link: Museumsquartier, Wien > Link: REPORT online-